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MÖBEL
UND
MODERNITÄT
Sag mir, wie du sitzt, und ich sage
dir, wer du bist. Mitte der 1960er
Jahre wird dem französischen
Möbelhersteller Jean Roset aus
der Region des Bugey klar, dass die
Babyboomer, welche auf Matratzen
sitzend die Welt verändern, eine
adäquate Sitzmöglichkeit brauchen.
Diese neue Generation rebelliert
gegen eine Gesellschaft, die sie als
patriarchalisch und starr verurteilt.
Sie fordert mehr Flexibilität. Und
genau das wird ihr Jean Roset
geben. 1968 gehen alle auf die
Straße. Jean Roset aber erfindet
in den Fertigungsbetrieben seines
Unternehmens Sofas mit außerge-
wöhnlichem Komfort: Zum Lesen,
Musik hören, Diskutieren, kreativen
Denken, Träumen … Intuitiv denkt er
an ein Sitzmöbel aus Schaumstoff.
Eine wahre Revolution für den
Mann, der seit 1946 die Geschicke
des Unternehmens Sièges Roset
lenkt, das seit drei Generationen auf
die Bearbeitung von Holz spezi-
alisiert ist. 1973 erblickt
Togo
das
Licht der Welt: ein Polstermöbel,
entstanden in der Zusammenarbeit
mit dem französischen Designer
Michel Ducaroy;
eine Skulptur
aus Schaumstoffen mit einem
Bezug von geradezu unerhörtem
Komfort.
Togo
wird sehr schnell zur
Ikone einer ganzen Generation und
mehr: Bis heute wurden mehr als
1,3 Millionen Exemplare verkauft.
1973 ist auch die Geburtsstunde
der Marke Ligne Roset, nachdem
Jean Roset seine Söhne Pierre und
Michel an seine Seite gerufen hat.
Das Familienunternehmen bleibt
der Leitlinie des Patriarchen Jean
Roset treu, große gesellschaftliche
Veränderungen vorauszusehen
und den kreativen Prozess danach
auszurichten. »Gutes Design
muss ein Spiegel seiner Zeit sein.«
Michel Roset, Geschäftsführer für
Gestaltung und Design, wird nicht
müde, es immer wieder zu betonen.
Ein echter Trumpf, den die Marke
in der Hand hält, ist zweifelsohne
ihr Vertriebsnetz. Das Feedback
von 700 Läden in über 70 Ländern
der Welt ist weit mehr als nur eine
spannende Sammlung von Daten.
Gespür bewies Ligne Roset auch
bei der weiteren Entwicklung. Die
Marke begriff als erste, dass die
Kunden nicht nur empfänglich für
neue Formen sein würden, son-
dern auch für die ganz individuelle
Handschrift eines Möbels, das
von renommierten Designern wie
Jean Nouvel, Peter Maly, Inga
Sempé, Philippe Nigro
oder
den Brüdern
Bouroullec
entwor-
fen wurde. Dieses Bemühen um
Individualisierung hat sich in den
letzten zehn Jahren noch weiter
durchgesetzt. Mit dem Bücherregal
Cuts
von
Philippe Nigro
aus der
Kollektion 2011 bietet Ligne Roset
seinen Kunden den Freiraum, selbst
zu Innenarchitekten zu werden. Das
aus asymmetrischen Elementen
bestehende Regal lässt sich durch
die Anordnung der einzelnen
Module und die diversen zur
Verfügung stehenden Lackfarben
nach Belieben individuell gestalten.
Eine kunsthandwerkliche Aura trifft
den Nerv der Zeit, der sich nach
Authentizität und Erlesenheit sehnt.
»Wenn uns unsere Handelspartner
in unserem Werk besuchen, ist das
immer ein Erlebnis. Sie entdecken
dabei unser Metier, unser hand-
werkliches Können im Umgang
mit sehr edlen Materialien, das zu
Ergebnissen führt, die sich durch-
aus mit in Handarbeit gefertigten
Möbeln messen können«, merkt
Pierre Roset an.
Die neuesten Entwürfe von
Marie Christine Dorner
belegen
dieses Verlangen nach handge-
arbeiteten kostbaren Stücken
mit ihren betont sichtbaren und
facettenreichen Ausführungen.
»Der Schreibtisch
Osi
und die
Kommoden
Entrèves
bieten großen
Gestaltungsfreiraum bei der
Einrichtung. Ihr durch und durch
harmonisches Erscheinungsbild
erlaubt es ihnen, als Blickfang und
raumtrennendes Element in der
Mitte des Raumes zu thronen«,
erklärt Michel Roset. Dem Wandel
von Lebens- und Wohnwelten
immer auf der Spur, arbeitet er
gerne mit einer jungen Garde von
Designern wie
Constance Frapolli
oder
Amaury Poudray
zusammen.
»Die jungen Designer, die gerade
mit ihrem Studium fertig sind, ste-
hen in hautnahem Kontakt mit den
neuen Anforderungen unserer Zeit.
Modernität gestaltet man auch mit
modernen Menschen!«
REPORTAGE