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REPORTAGE

STIL À LA

FRANÇAISE

»Wenn wir über den Komfort

eines Möbels sprechen, dann

sprechen wir auch über seinen

visuellen Komfort«, erklärt Michel

Roset oft, der bei Ligne Roset als

Geschäftsführer für Gestaltung

und Design verantwortlich ist. Das

Streben nach Komfort, der das

Fundament für das Renommee

des Unternehmens gelegt hat,

geht einher mit der beharrli-

chen Suche nach ästhetischer

Perfektion. »Ich mag die Idee,

dass Design einen Sinn haben

und eine Rolle in der Gesellschaft

spielen soll«, präzisiert er. »Diese

Überzeugung hat seit den

1960er Jahren zur Gründung

von mehreren wagemutigen

Designergruppen geführt, wie z.B.

Memphis. Diese Fragestellungen

zur Rolle der Ästhetik fließen ein in

unseren kreativen Prozess.«

Der ambitionierte Denkansatz

hat im Ergebnis zu Möbelstücken

geführt, die in Museen als

Exponate geehrt wurden.

Die modular aufgebaute

Sitzlandschaft

Asmara

aus der

Feder von

Bernard Govin

(1966) und das Sofa

Ploum

von

Ronan

und

Erwan Bouroullec

(2011) können beispielsweise in

den Ausstellungen des Musée

des Arts Décoratifs in Paris

bewundert werden. In den 70er

Jahren hatte der junge Werber

Jacques Séguéla folgenden

vorausschauenden Slogan für

Ligne Roset erfunden: »Dessiné

pour durer plus que la mode«

(in etwa: Design, das die Mode

überdauert). Nicht nur die Möbel

»Made in Bugey«- der Name der

Region, wo sich der Hauptsitz

und die Produktionsstätten des

Unternehmens befinden – sind

dafür gemacht, Jahrzehnte zu

überdauern, auch ihr Design zielt

weiter als die aktuellen Trends

des Interior Design. Die Marke

hat Mut zum Risiko, was sie mit

verwegenen Kreationen wie dem

asymmetrischen Sofa

Confluences

von

Philippe Nigro

oder der ei-

nem Autoscheinwerfer nachemp-

fundendenTischleuchte

Car Light

von

Nathalie Dewez

unter Beweis

stellt. Aber sie beherrscht auch

meisterlich die klassische franzö-

sische Einrichtungskunst, die sie

gerne entstaubt. Seit mehr als 20

Jahren entwirft der Innenarchitekt

Didier Gomez

Möbel für Ligne

Roset. Seine Kreationen zeichnen

sich durch ihre bewusst schlichte

und schnörkellose Eleganz aus, die

sich ohne die geringste Dissonanz

in Einrichtungsstile wie Art Déco

oder Louis XVI einfügt. Dieses

Jahr stellte der Designer

Eric

Jourdan

mit seinem Sitzmöbel

Riga

eine äußerst zeitgemäße

Neuinterpretation des klassi-

schen Ohrensessels vor. Eben

eine solche Neuauflage des

kulturellen Erbes Frankreichs in

Kombination mit formaler und

technischer Innovation hat auch

Mitte der 2000er Jahre Ligne

Roset und den Designer

Pierre

Paulin

zusammengebracht.

Der durch die Einrichtung der

Privaträume von Präsident

Pompidou 1971 im Élysée-Palast

zu Weltruhm gelangte Künstler

beherrschte die Geschichte

der Einrichtungskunst aus dem

Effeff. Und er begeisterte sich für

Maschinen und Materialien. Der

von Schaumstoffpolsterungen

und elastischen Bezugsstoffen

geradezu Besessene konnte nicht

anders als begeistert sein von den

Werkstätten in Briord. Hier hat er

seine Kreationen für das Ehepaar

Pompidou überarbeitet und

daraus die Modelle

Pumpkin

und

Élysée

entwickelt sowie den Sessel

Anda

(2008) entworfen: eine

Neuinterpretation seines mitt-

lerweile zu Kultstatus gelangten

Models

Mushroom

aus dem Jahre

1959. Seit seinem Tod im Jahr

2009 ist

Pierre Paulin

offiziell zu

einem Denkmal der französischen

Einrichtungskunst geworden. 2016

wurde ihm eine Retrospektive

im Centre Pompidou gewidmet.

Auf dem Kunstmarkt reißen

sich die Käufer um seine Werke.

Ligne Roset legt in Abstimmung

mit der Familie von Pierre

Paulin einige Modelle neu oder

wieder auf, wie den Stuhl

TV,

das berühmte

Daybed

aus dem

Jahr 1953 oder auch den Stuhl

Curule

aus den 1980er Jahren

in Buche oder Eiche massiv, der

der Liebe des Designers zum

traditionellen Tischlerhandwerk

Ausdruck verleiht. Das Ehepaar

Pompidou entschied sich für ihn,

da er ihrem Credo »Wandel in der

Kontinuität« Leben einhauchte.

Seine historische Arbeit im Élysée

stellt die perfekte Harmonie

zwischen traditioneller französi-

scher Einrichtungskultur sowie

ästhetischer und industrieller

Innovation dar. Ligne Roset, heute

der einzige große Hersteller von

Designmöbeln in Frankreich, führt

dieses Ideal fort.